eMuseum

Einleitung und Überblick


Zeitgeist

Der Fokus der online-Ausstellung liegt auf Medaillen zu Ehren von Altertumswissenschaftlern, ein Schwerpunkt, der in der Geschichte der Tübinger Sammlung wurzelt. Zugleich präsentiert die Ausstellung - gewissermaßen als Einstieg und Vergleich für die Entwicklung der Medaillenkunst innerhalb der Geisteswissenschaften - Medaillen und Plaketten auf bedeutende Forscher benachbarter Disziplinen, der Kunstgeschichte (Kat. 5), der Slawistik (Kat. 6, Kat. 7) und der Orientalistik (Kat. 8, Kat. 9, Kat. 10). Unabhängig von den verschiedenen Fächern und den in den Medaillen thematisierten unterschiedlichen Inhalten haben alle Stücke eines gemein: sie belegen eine Blüte der Medaillenkunst, die nicht nur das Gelehrten-, sondern auch das Bildungsbürgertum durchdrang und mit diesem in intensiver Wechselwirkung stand. Zusätzlich zeigte man auf den Medaillen der benachbarten Fächer - was auch für die gesamte Medaillenkunst der Epoche gilt - ungebrochen klassische, antike Motive als Spiegel der umfassenden humanistischen Bildung der Zeit.


Kat. 5. Jakob Burckhardt, Inv. VI 510/5aa.

 

Jakob Christoph Burckhardt (1818-1897) war ein bedeutender schweizerischer Kunsthistoriker. Nach Abschluss der akademischen Ausbildung trat er vor allem durch seine literarische Tätigkeit, angeregt durch seine Reisen ins Ausland, in Erscheinung. 1855 nahm er einen Ruf als Professor der Kunstgeschichte am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich an, im Anschluss daran wechselte er an die Universität Basel, wo er 1858-1893 den Lehrstuhl für Geschichte und Kunstgeschichte innehatte. Sein wissenschaftliches Wirken lag in den beiden Themengebieten Kunstgeschichte und Geschichte. So publizierte er z. B. den "Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens", zu seiner Zeit eines der führenden deutschsprachigen Reisehandbücher für die Kunstwerke Italiens. Sein Hauptwerk ist "Die Zeit Konstantin des Großen", in der er die gängige Meinung, die Spätantike als Verfall zu sehen, verwarf und die Periode stattdessen als Übergang zwischen Antike und Mittelalter sowie als Grundlage der mittelalterlichen Kultur mit neuer Bedeutung versah.

Die Plakette ist nach dem Tod von Burckhardt entstanden. Das Bildnis wurde dabei, genauso wie eine Büste an der Universität Basel, älteren Zeichnungen und Fotographien nachempfunden. Der Auftraggeber für diese Arbeit ist nicht überliefert, aber vermutlich im Umfeld der Freunde und Kollegen zu suchen.

 

 

Kat. 6. Franz von Miklosich, Inv. VI 511/15.

 

Kat. 7. Franz von Miklosich, Inv. VI 513/15a.

 

Franz von Miklosich (1813-1891) gilt als Begründer der modernen Slawistik. Nach dem Studium der Philologie und Philosophie und einem anschließenden Studium der Rechtswissenschaften arbeite von Miklosich zunächst in der Hofbibliothek in Wien, wo er 1844 Zensor für slawische, neugriechische und rumänische Handschriften wurde. In dieser Zeit verfasste er seine ersten Schriften und erlangte Bekanntheit in Fachkreisen. Es folgte ein Ruf auf die Professur für slawische Philologie an der Universität Wien, die er 1849-1885 innehatte; damit war er der erste Universitätsprofessor in dieser Fachrichtung. Mit seinem umfangreichen Oeuvre zählt Franz von Miklosich zu den Begründern der wissenschaftlichen Slawistik. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1864 in den Ritterstand erhoben.

Die Medaille entstand anlässlich des 70. Geburtstags von Franz von Miklosich. Gewidmet wurde sie von der Akademie der Wissenschaften in Wien und wurde durch den Klassischen Philologen Karl Schenkl (1827-1900) im Auftrag des Medaillenkomitees an den Jubilar übermittelt. Die Rückseite zeigt eine weibliche Personifikation, die einen Stilus und eine Tafel mit der Widmungsinschrift "dem unermüdlichen Geist" in Händen hält. Die Medaille ehrt damit die wissenschaftlichen Leistungen des Franz von Miklosich.        

Ein interessantes Detail der Provenienzgeschichte ist für zwei der hier gezeigten Stücke überliefert. Der Vorbesitzer der Medaillen auf Franz von Miklosich (Kat. 7) und Hermann Brockhaus, Heinrich Leberecht Fleischer, August Friedrich Pott und Emil Roediger (Kat. 8) war der Tübinger Indologe und Religionswissenschaftler Rudolf von Roth (1821–1895), der allem Anschein nach Interesse an den Medaillen mit Bezug zur Slawistik und Orientalistik hatte. Seine Erben vermachten die Medaillen der Tübinger Sammlung.

 

Kat. 8. Hermann Brockhaus, Heinrich Leberecht Fleischer, August Friedrich Pott, Emil Roediger, Inv. VI 510/5.

 

Hermann Brockhaus (1806-1877) lehrte in Jena 1839-1841 als außerordentlicher und in Leipzig ab 1841 als ordentlicher Professor der orientalischen Sprachen. Sein Fokus lag auf der Erforschung indischer Dramen und Märchen. 1846 wirkte er bei der Gründung der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften mit, 1860 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er war zudem Gründungsmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft.

Heinrich Leberecht Fleischer (1801-1888) war einer der bedeutendsten Orientalisten seiner Zeit. Ab 1835 lehrte Fleischer als Professor für orientalische Sprachen in Leipzig, wo er beeinflusst durch seinen Lehrer in Paris, Silverstre de Sacy, streng rationalen Textinterpretationen folgte. Als sein Hauptwerk gilt die Edition des Korankommentars von al-Baidāwī, einem persischen Rechtsgelehrten und Korankommentator des 13. Jhs. Fleischer war treibende Kraft bei der Begründung und dann auch Gründungsmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Sein wissenschaftliches Wirken wurde durch die Mitgliedschaft in mehreren Akademien und die Verleihung von Ehrendoktoraten ausgezeichnet.

August Friedrich Pott (1802-1887) war ein Sprachwissenschaftler, der ab 1833 in Halle lehrte. Als sein Hauptwerk gilt "Etymologische Forschungen auf dem Gebiete der Indo-Germanischen Sprachen", womit er einen bedeutenden Grundstein für die etymologische Sprachforschung legte. August Friedrich Pott war Gründungsmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und deren erster Bibliothekar.

Emil Roediger (1801-1874) lehrte in Halle 1830-1860 und in Berlin 1860-1874 als Professor der orientalischen Sprachen. Der Hauptteil seiner Arbeit entfällt auf Forschungen zur Handschriftenkunde, epigraphischen Studien und hebräischer Sprachwissenschaft. Als Gründungsmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft war er jahrelang für die Gesellschaft tätig.

Die Medaille entstand anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG), die am 2. Oktober 1845 in Darmstadt begründet wurde. Als Gründungsmitglieder wurden Hermann Brockhaus, Heinrich Leberecht Fleischer, August Friedrich Pott und Emil Roediger geehrt, da sie "nicht nur selbst zu den Gründern der Gesellschaft gehören, sondern auch unausgesetzt durch Rath und That ihre Schritte gefördert und geleitet und in hervorragendster Weise die Erreichung der ihr gesteckten Ziele ermöglicht haben". Die Vorderseite der Medaille versinnbildlicht die Ziele und das Wirken der DMG: Eine von rechts heranschreitende Germania als Personifikation der deutschen Wissenschaft erleuchtet den aus dem Schlaf erwachenden alten Mann, den Orient. Ursprünglich war geplant dieses Bild mit dem Spruch "Licht und lebendiges Wort kam einst den Deutschen vom Aufgang; / Dankend erstatten sie heut’, was sie empfangen, zurück" zu erweitern. Ins Bild gefasst ist somit die Erforschung des Orients, sinnübertragend wird aber auch der wechselseitige Austausch inszeniert, wie ihn die DMG als Ziel gesetzt hatte. Die Komposition wurde von dem Maler Franz Theodor Grosse (1829-1891) entworfen.

 

Kat. 9. Joseph von Hammer-Purgstall, Inv. VI 510/9.

 

Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856) war ein österreichischer Diplomat und Orientalist. Nachdem er seine schulische Ausbildung beendet hatte, besuchte er die kaiserlich-königliche Akademie für Orientalische Sprachen. Als deren Mitglied bereiste er den Orient und schuf die Grundlagen für seine späteren wissenschaftlichen Schriften, deren Bedeutung in der Anregung und Verbreitung des Interesses für den Orient liegt. Aus seinen umfangreichen Publikationen ragen die "Geschichte des osmanischen Reiches", die wegen der Erschließung der Quellen noch heute als wichtiges Werk gilt, und "Über die innere Verwaltung des Chalifats" heraus. Aufgrund seiner Stellung und seiner Bemühungen um die Gründung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurde von Hammer-Purgstall zu deren erstem Präsidenten gewählt.

Ein konkreter Anlass für die Entstehung der Medaille zu Ehren von Joseph von Hammer-Purgstall ist nicht überliefert. Nach Constantin von Wurzbach soll ein Freund, der Arzt Ludwig August Frankl (1810-1894), Initiator der Medaille gewesen sein. Das Mittelbild der Rückseite - ein Memnonskoloss und ein Koranzitat - ist eine Anspielung auf die Titelvignette seines Werks "Geschichte des Osmanischen Reiches". Diese zeigt jenen Koloss schräg von der Seite bei Tagesanbruch, passend zum Koranzitat. Die zwölf mongolischen Tierkreiszeichen sind als Hinweis auf sein Werk "Die goldene Horde" konzipiert. Der Schriftzug "Er hat Asien und Europa verbunden" am Medaillenrand ehrt das Wirken von Joseph von Hammer-Purgstall.

 

Kat. 10. Johann Gustav Stickel, Inv. VI 512/26a.

 

Johann Gustav Stickel (1805-1896) war ein deutscher Orientalist. Auf Bitten von Johann Wolfgang Goethe einen orientalischen Siegelring für ihn zu entziffern, fand er zur Siegelkunde und Numismatik. In Jena lehrte er zunächst 1836-1839 an der Theologischen Fakultät und 1839-1896 als Professor für orientalische Sprachen. Dank seiner Initiative wurde 1840 das Großherzogliche Orientalische Münzkabinett in Jena eingerichtet, zu dessen ersten Direktor er ernannt wurde. Zudem wirkte er bei der Gründung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft aktiv mit und war Mitglied mehrerer numismatischer Vereine und Gesellschaften im In- und Ausland. Im Mittelpunkt von Stickels Beschäftigung mit der Numismatik stand die Pflege und der Ausbau der Münzsammlung sowie die Veröffentlichung des "Handbuchs zur Morgenländischen Münzkunde".

Die Medaille ehrt Johann Gustav Stickel in seiner Rolle als Leiter der numismatischen Sammlung, wie die Widmungsinschrift auf der Rückseite "Dem gelehrten, gewissenhaften und bewährten Direktor des Großherzoglichen Orientalischen Münzkabinetts zu Jena. 1889" deutlich ausdrückt. Die Medaille wurde von Großherzog Karl Alexander in Auftrag gegeben; als Anlass diente Stickels 50-jährige Zugehörigkeit zur Philologischen Fakultät als Professor für Orientalische Sprachen. Eine Medaille in Gold erhielt das orientalische Münzkabinett, ein Exemplar in Silber und ein Exemplar in Bronze wurde dem Jubilar durch Universitätskurator Heinrich von Eggeling (1838-1911) persönlich überreicht.