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Individuelle Biographien

An dieser Stelle soll anhand von ausgewählten Persönlichkeiten die Vielfalt des Wirkens innerhalb der Fachgrenzen und darüber hinaus skizziert werden. Gottfried Hermann (Kat. 28, Kat. 29) war nicht nur als prominenter Vertreter der sogenannten Wortphilologie, sondern auch für seine fachliche Auseinandersetzung mit Georg Friedrich Creuzer (Kat. 32), die "in den weitesten Kreisen ein ungewöhnliches Aufsehen erregte", bekannt. Neben Lehre und Forschung engagierten sich manche Altertumswissenschaftler auch intensiv in der (Bildungs-)Politik. So wurde Wilhelm von Hartel (Kat. 30) beispielsweise Unterrichtsminister in Österreich. Die Philologen Karl Morgenstern (Kat. 31) und Friedrich Creuzer (Kat. 32) sind dagegen Vertreter, deren fachliches Engagement untrennbar mit der Entstehung und dem Ausbau einer Universitätssammlung verbunden sind.


Kat. 28. Gottfried Hermann, Inv. VI 511/11.

 

Kat. 29. Gottfried Hermann, Inv. VI 511/10.

 

Gottfried Hermann (1772-1848) lehrte in Leipzig ab 1797 als außerordentlicher Professor, ab 1803 als ordentlicher Professor der Beredsamkeit und ab 1809 auch der Poesie. Als prominenter Vertreter der sogenannten Wortphilologie, die ihren Erkenntnisgewinn - im Gegensatz zur Sachphilologie - von der Analyse der antiken Texte ableitete, lag sein wissenschaftlicher Schwerpunkt in der grammatikalischen und textkritischen Auseinandersetzung mit der griechischen und lateinischen Dichtung. Zudem beschäftigte er sich mit dem Wesen und der Entstehung der griechischen Mythologie, über die er mit Georg Friedrich Creuzer (Kat. 32) eine in weiten Kreisen rezipierte fachliche Auseinandersetzung hatte. Gottfried Hermann war Mitglied in der Preußischen und der Russischen Akademie der Wissenschaften sowie der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.

Die Medaille entstand anlässlich des 50-jährigen Doktorjubiläums von Gottfried Hermann und wurde von der Universität Leipzig gestiftet. Abgestimmt auf seine langjährige fachliche Beschäftigung wurde die Rückseite mit der Darstellung des Ödipus vor der Sphinx gestaltet. Die lateinische Umschrift "Er löste die Zweideutigkeiten und Rätsel der Dichter" verdeutlicht, dass Hermann - gleich dem Ödipus, der das Rätsel der Sphinx löste - die Schwierigkeiten der griechischen Dichtung löste (vgl. Kat. 11). In der Wortwahl liegt offensichtlich eine Anspielung auf die Beschreibung des Rätsels in Ovids Metamorphosen (7, 759-761) vor. Tübingen verfügt über eine Ausführung der Medaille in Bronze und in Silber.

 

Kat. 30. Wilhelm von Hartel, Inv. VI 510/9a.

 

Wilhelm von Hartel (1839-1907) war ein österreichischer klassischer Philologe und Politiker. Er lehrte seit 1869 in Wien als Professor für klassische Philologe, war 1890/91 Rektor der Universität und 1891-1896 gleichzeitig Direktor der Hofbibliothek. 1896 wechselte er als Sektionschef für die Hoch- und Mittelschulen in das Ministerium für Kultus und Unterricht, 1900-1905 war er Unterrichtsminister. Als Politiker stand Wilhelm von Hartel im Rampenlicht; nicht nur Tageszeitungen reflektierten seine Entscheidungen als Unterrichtsminister, auch die großen Wiener Satirezeitungen bedachten den Philologen regelmäßig mit beißendem Spott. Als Wissenschaftler beschäftigte er sich intensiv als Latinist. Er edierte die Werke von drei antiken Autoren für das "Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum" und war Mitglied der Kommission des "Thesaurus Linguae Latinae". In der Hofbibliothek sorgte er für die photographische Ausgabe der "Tabula Peutingeriana". Er war Mitglied der Akademien der Wissenschaften in Wien, Berlin, Göttingen und Madrid.

Die Prägung der Medaille wurde anlässlich seines 30-jährigen Dienstjubiläums an der Universität Wien - wie die lateinische Rückseitenlegende erwähnt - von Schülern und Freunden aus Dankbarkeit anregt. Im Archiv der Karls-Universität Prag befindet sich im Nachlass von Eugen Bormann ein Aufruf zur Subskription vom November 1895, die einen Einblick in die Gruppe der Initiatoren offenbart. Neben schulischen Vereinen finden sich die Namen bedeutender Altertumswissenschaftler aus Wien, wie z. B. Theodor Gomperz (1832-1912), Otto Benndorf (1838-1907) oder Eugen Bormann (1842-1917). Wilhelm von Hartel erhielt ein Exemplar der Medaille aus Gold im Rahmen einer Feierlichkeit, seine Frau eine Ausführung in Silber. Zudem wurde ihm eine Porträtbüste (Archiv der Universität Inv. 103.1.09) gestiftet, die von dem österreichischen Bildhauer Georg Leisek (1869-1936) gefertigt wurde und große Übereinstimmungen mit dem Porträt auf der Medaille aufweist. Die Rückseite der Medaille zeigt eine Gelehrtenpersonifikation, Philologia oder Scientia, in einer Belehrungsszene. Victor von Renner (1846-1943) erwähnt in seiner Beschreibung der Medaille, dass bei der Gestaltung der Mittelgruppe Inspiration beim italienischen Renaissancemalers Melozzo da Forli (vgl. Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz Ident.Nr. 54. 54A) gesucht wurde.

 

Kat. 31. Karl Morgenstern, Inv. VI 511/17.

 

Johann Karl Simon Morgenstern (1770-1852) war ein deutscher Philologe. Er lehrte ab 1797 neben Friedrich August Wolf (Kat. 26, Kat. 27) als außerordentlicher Professor in Halle. Im folgenden Jahr nahm er eine Professur in Danzig an, bis er 1802 einem Ruf an die neugegründete Universität Dorpat, heute Tartu in Estland, als Professor für Ästhetik, Eloquenz und Altklassische Philologie folgte. Dort übernahm er zusätzlich bis 1839 die Leitung der Universitätsbibliothek. An der Universität Dorpat war Morgenstern auch maßgeblich an der Begründung des Kunstmuseum beteiligt, dessen Leitung er ebenfalls übernahm. Sein fachliches Wirken umfasste zunächst Studien zu Platon, sowie in späterer Zeit Reiseberichte und unterschiedliche Beiträge zu Literatur, bildende Kunst und Philosophie. Die Bestände des Kunstmuseums und der Universitätsbibliothek Dorpat erweiterte er maßgeblich, auch durch den Nachlass seiner eigenen umfangreichen Privatbibliothek und seiner Sammlung von Münzen, Gipsabgüssen von Gemmen, Medaillen, Grafiken und Gemälden.

Die Medaille wurde vier Jahre nach dem Tod von Karl Morgenstern hergestellt. In den Aufzeichnungen des Medailleurs Ferdinand Helfricht ist kein Auftraggeber erwähnt. Die Auflage der Medaille betrug 207 Stück, wovon sieben Exemplare in Silber und 200 Stück in Kupfer produziert wurden. Die Medaille fand rasche Verbreitung; so ist der zeitgenössischen Zeitung "Das Inland" zu entnehmen, dass der Präsident der Gelehrten Estnischen Gesellschaft in Dorpat bereits Anfang April ein Exemplar der Medaille besaß und im Juni des gleichen Jahres Karl Morgensterns Witwe eine auf ihren Gemahl geprägte Medaille der Gelehrten Estnischen Gesellschaft schenkte.

 

Kat. 32. Georg Friedrich Creuzer, Inv. VI 510/5aaa.

 

Georg Friedrich Creuzer (1771-1858) war ein bedeutender Philologe an der Universität Heidelberg. 1800-1804 lehrte er als Professor für griechische Sprache und Eloquenz in Marburg bevor er 1804-1845 als Professor für Klassische Philologie und Alte Geschichte in Heidelberg wirkte. Dort begründete er 1807 das Philologische Seminar, war Herausgeber der Heidelbergischen Jahrbücher und publizierte seine bedeutendsten Arbeiten zu philologischen, ikonographischen und mythologischen Themen. Er verfasste Schriften zur antiken Geschichtsschreibung, zu römischen Funden in Deutschland und gab Texteditionen heraus. Als sein Hauptwerk gilt "Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen", welches drei Auflagen erfuhr und weit rezipiert wurde. Eine von ehemaligen Schülern und Freunden von Creuzer gestiftete Sammlung von Münzen, Gemmen und Abgüssen, die zu Ehren von Creuzer "Antiquarium Creuzerianum" benannt wurde, bildet den Grundstock des heutigen Antikenmuseums der Universität Heidelberg.

Die lateinische Rückseitenlegende "Acht Jahrfünfte des Dienstes in der Heidelberger Universität vollbracht" erklärt, dass die Medaille für Georg Friedrich Creuzer anlässlich seines 40-jährigen Dienstjubiläums in Heidelberg konzipiert wurde. Die feierliche Übergabe der von Kollegen und Freunden gestifteten Medaille fand jedoch erst über sieben Jahre später statt, nachdem die zur Bezahlung der Medaillenherstellung notwendigen Beiträge gesammelt waren und mit dem Karlsruher Medailleur Ludwig Kachel Bild und Legende festgelegt wurde. Die Inschrift geht auf den Münchener Altphilologen Leonhard Spengel (1875-1880) zurück, der 1841-1847 neben Creuzer eine Professur für Klassische Philologie in Heidelberg innehatte.