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Wissenschaft und Schuldienst

Neben den Fachvertretern, die Professuren an Universitäten innehatten, finden sich auch Altertumswissenschaftler auf Medaillen verewigt, deren beruflicher Lebenslauf zwischen Schuldienst und Wissenschaft mäanderte und deren Medaillen von den schulischen Institutionen, an denen sie gewirkt haben, gestiftet wurden. Bekannte und für das Fach bedeutende Schulmänner, die zu dieser Kategorie zählen, sind Georg Friedrich Grotefend (Kat. 33) und Karl Joachim Marquardt (Kat. 34), die neben ihrer pädagogischen Tätigkeit noch ausreichend Zeit fanden, um die Wissenschaft mit herausragenden Beiträgen voranzutreiben. Aber auch später wichtige Vertreter ihres Faches, wie beispielsweise Friedrich Wilhelm Thiersch (Kat. 35) begannen ihre wissenschaftlichen Karriere als Gymnasiallehrer.


Kat. 33. Georg Friedrich Grotefend, Inv. VI 510/8.

 

Georg Friedrich Grotefend (1775-1853) war ein Schulmann und Sprachwissenschaftler. Er unterrichtete 1803-1821 am Städtischen Gymnasium in Frankfurt am Main, wo er seit 1806 die Konrektorenstelle innehatte. Während das Städtische Gymnasium 1812-1814 mit dem großherzoglich frankfurtischen Lyceum verbunden war, führte er zudem den Titel "Professor der classischen Litteratur". 1821 wurde er als Direktor des städtischen Lyceums nach Hannover berufen, wo er bis 1849 wirkte und sich vermehrt der Wissenschaft zuwandte. Neben seinen Schriften für den Schulunterricht und Studien zu altitalischen Sprachen, dem Umbrischen und Oskischen, besteht sein größter Verdienst in der teilweisen Entzifferung der altpersischen Version der achämenidischen Keilschrifttrilinguen. In Frankfurt war er 1809 Mitbegründer der Gesellschaft zur Herausgabe der "Monumenta Germaniae Historica", einem Projekt zur Erforschung und Edition von Dokumenten zur deutschen Geschichte des Mittelalters.

Die Medaille entstand anlässlich eines doppelten Jubiläums: Das Lyzeum in Hannover feierte das 500-jährige Bestehen, gleichzeitig beging deren Direktor Georg Friedrich Grotefend sein 50-jähriges Amtsjubiläum. Die Vorderseite ist Georg Friedrich Grotefend gewidmet, die Rückseite dem Lyzeum. Diese zeigt Otto von Braunschweig-Lüneburg (1204-1252), unter dem das Stadtrecht von Hannover bestätigt und damit der Grundstein für die Einrichtung der mittelalterlichen Lateinschule, des nachmaligen Lyzeums, gelegt wurde. Die Darstellung der Personifikation der Stadt Hannover und Athena als Göttin der Weisheit mit Schulkindern rundet die Gesamtkomposition sinnig ab.

 

Kat. 34. Karl Joachim Marquardt, Inv. VI 511/14a.

 

Karl Joachim Marquardt (1812-1882) war ein Altertumswissenschaftler und Schulmann. Er unterrichtete als Gymnasiallehrer 1834-1836 in Berlin und 1836-1856 in Danzig bevor er 1856-1859 als Gymnasialdirektor in Posen und 1859-1882 in Gotha wirkte. Neben seiner Funktion als Leiter des neugegründeten Gymnasiums Ernestinum in Gotha wurde ihm die Verwaltung der herzoglichen Sammlungen auf Schloss Friedenstein übertragen. Zugleich bot sein Lehramt noch ausreichend Zeit, um sich mit großen wissenschaftlichen Aufgaben zu beschäftigen. Für die Wissenschaft sind seine Hauptwerke "Römische Staatsverwaltung" und "Das Privatleben der Römer" noch heute von nachhaltiger Bedeutung, in denen er eine ungeheure Stoffmenge zu einer systematisch geordneten Darstellung des öffentlichen und privaten Lebens der Römer führte. Zahlreiche seiner Kathederblüten in Gotha wurden unter dem Titel "Marquardtiana" veröffentlicht.

Die Medaille ist nach dem Tod von Joachim Marquardt entstanden und wurde zum Anlass seines ersten Todestages am 30. November 1883 herausgegeben. Die Feier wurde mit einem Festakt begangen; dabei wurde in der Aula eine von dem Berliner Bildhauer Karl Begas (1845-1916) gefertigte Marmorbüste von Marquardt enthüllt und der Schule 50 Bronzemedaillen feierlich übergeben, die auf Beschluss der Direktion und des Lehrerkollegiums in Zukunft als Preise für Primaner verliehen werden sollten. Die Medaille fertige der in Gotha ansässige Medailleur Ferdinand Helfricht an, aus dessen Rechnungsbüchern hervorgeht, dass Exemplare in Silber zu zehn Mark, in vergoldeter Bronze zu drei Mark und in Bronze zu einer Mark zu erwerben waren.

 

Kat. 35. Friedrich Wilhelm Thiersch, Inv. VI 513/28.

 

Friedrich Wilhelm Thiersch (1784-1860) war ein einflussreicher Philologe und Beauftragter im Bildungswesen. Nach dem Studium in Leipzig und Göttingen, u. a bei Gottfried Hermann (Kat. 28, Kat. 29) und bei Friedrich August Wolf (Kat. 26, Kat. 27), den er besuchsweise in Halle hörte, war Thiersch 1807­­-1809 Privatdozent in Göttingen. 1809 nahm er einen Ruf als Gymnasialprofessor nach München an, wo er 1812 das mit der Akademie verbundene Philologische Institut begründete. Nach der Verlegung der Universität von Landshut nach München 1826 wurde er ordentlicher Professor und Direktor des philologischen Seminars. Als Beauftragter in einer für das Bildungswesen eingesetzten Kommission reformierte er das bayerische Schulsystem gemäß humanistischen Prinzipen und verfasste zahlreiche Schriften zu Unterricht, Schulwesen und Hochschulpolitik. Neben erfolgreichen diplomatischen Missionen in Paris im Auftrag der Bayerischen Regierung am Ende der Befreiungskriege war Thiersch als glühender Philhellene auf eigene Faust auch 1831-1832 in Griechenland, wo er sich ­aktiv für die Wahl Otto I. (1815-1867) als König von Griechenland einsetze. Auf seine Anregung kam es 1837 zur Gründung des Vereins deutscher Philologen und Schulmänner. Thiersch war zudem Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaft, mit deren Leitung er als Präsident von 1848-1859 betraut war.

Die Medaille wurde nach dem Tod von Friedrich Thiersch auf Beschluss der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gestiftet. Sie ehrt Thiersch aufgrund seiner langjährigen Präsidentschaft und seiner Verdienste als Philologe. Die Gestaltung der Rückseite wurde der Philosophisch-Philologischen und Historischen Klasse der Akademie übertragen, die eine schlichte Form beschloss. Das Vorbild für das Porträt entstammt einem 1836 vom Bildhauer Franz Woltreck (1800-1847) geschaffenen Medaillon. Die Auflage der Medaillenproduktion betrug 150 Stück.