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Einleitung und Überblick


Inhalt der Ausstellung

"Der Jugendmuth des unerschrockenen Mannes, welcher auch 1810 den Großglockner mit Lebensgefahr erstieg…".

Diese abenteuerliche Episode aus dem bewegten Leben des einflussreichen Philologen Friedrich Wilhelm Thiersch (Kat. 35) ist ein gutes Beispiel dafür, dass so mancher Altertumswissenschaftler des 19. Jhs. gar nicht dem heute weit verbreiteten Klischee des lebensfremden Stubengelehrten entsprach. Andererseits gab es ausgezeichnete Wissenschaftler mit großartigen fachlichen Leistungen, die besonders für ihre legendären Schrullen liebenswürdige Wertschätzung erhielten. Zu dieser Gruppe zählt Karl Joachim Marquardt (Kat. 34), dessen zahlreiche unabsichtlich komische Äußerungen im Unterricht - beispielsweise "Früher trank man in Rom aus tönernen Gläsern" - von seinen Schülern eifrig gesammelt und nach dessen Tod zum Andenken an den hochverehrten Lehrer veröffentlicht wurden. Unabhängig vom konträren Inhalt der beiden Zitate bezeugen die Passagen, wie sehr sich schon die Zeitgenossen im 19. Jh. an Berichten über kuriose Viten und ungewöhnliche Charaktereigenschaften erfreuten - besonders, wenn es sich dabei um bekannte und berühmte Vertreter des Faches handelte.

Die vorliegende online-Ausstellung setzt genau an diesem Punkt an und thematisiert die zeitgenössische Rezeption von Altertumswissenschaftlern im Spiegel der Medaillenkunst. Dabei ist als zeitlicher Rahmen das lange 19. Jh. gemeint, welches die zentralen Elemente der Industrialisierung und des technologischen Fortschritts, die Entwicklung von Nationalstaaten sowie die rasante Entfaltung von Wissenschaft und Bildung und des dazugehörigen Bildungsbürgertums jenseits der traditionellen kalendarischen Periodisierung umfasst.

 

Aufstellung der Gipsabgusssammlung in Tübingen (zwischen 1881 und 1908). Archiv des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen.

 

Während die Bedeutung von Altertumswissenschaftlern des 19. Jhs. in der Forschungsgeschichte gemeinhin auf Grundlage ihrer Publikationen, Ausgrabungsergebnisse oder persönlichen Briefwechsel beurteilt wird, will die Ausstellung das Medium Medaille nutzbar machen, um die Wahrnehmung von ausgewählten Vertretern des Faches durch die jeweiligen Zeitgenossen herauszustellen. Die Medaillen des 19. Jhs. bieten sich für diesen Zugang besonders gut an, da sie als Produkte des Zeithorizonts, den sie zum Inhalt haben, unmittelbare Zeugen sind. Da sie den Kreis der Stifter, die Anlässe sowie Intentionen der jeweiligen Ehrenbezeugungen meist genauestens dokumentieren, eröffnen sie einen einzigartigen Einblick in die fachlichen und persönlichen Netzwerke der Zeit.

 

"Vor wenigen tagen ist dem Professor Otto Hirschfeld, der demnächst Wien verlassen wird, um einem Rufe an die berliner Universität Folge zu leisten, von seinen hiesigen Schülern und Freunden nebst einer lateinischen Adresse eine zur Erinnerung an sein zwölfjähriges Wirken in Österreich geprägte Medaille überreicht worden".

Neue Freie Presse, 3. April 1885, S. 5

 

Zuweilen, wie im Fall von Otto Hirschfeld, wurde sogar über die feierliche Übergabe der Medaillen an die Geehrten in der Tagespresse berichtet. Als beliebtes Medium um bedeutende Männer für ihre Leistungen zu ehren und ihnen relativ kostengünstig und zugleich mit Nachhaltigkeit ein Andenken zu setzen, waren Medaillen zugleich Objekte, die im jeweiligen sozialen Umfeld und darüber hinaus rege gesammelt wurden.

In dieser Betrachtung darf freilich nicht außer Acht gelassen werden, dass Medaillen nicht die einzigen materiellen bzw. bildlichen Zeugnisse sind, die uns direkte Auskunft über die zeitgenössische Rezeption von Forscherpersönlichkeiten liefern. Besonders herausragende Vertreter des Faches waren in unterschiedlichen medialen Ebenen präsent. Theodor Mommsen als berühmtester Altertumswissenschaftler war gleichsam einem modernen Popstar im Bildungsbürgertum omnipräsent. Aber auch für weniger medienwirksame Vertreter, wie Karl August Böttiger (Kat. 11, Kat. 12, Kat. 13), sind Autographen und Aquarelle nachgewiesen, die von den Zeitgenossen gesammelt wurden.

 

Die Einteilung der vorliegenden Medaillen in neun thematische Blöcke (s. linke Spalte) versucht das breite Spektrum an unterschiedlichen Aspekten rund um die Darstellung und Rezeption von Altertumswissenschaftlern auf Medaillen des 19. Jhs. zu bündeln und den geneigten Besuchern dieser online-Ausstellung umfassend zu präsentieren. Interne Verweise auf einzelne Stücke sind durch Links verknüpft und ermöglichen das rasche und bequeme Auffinden von weiterführender Information zu den jeweiligen Exemplaren.