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Philologen - Archäologen - Numismatiker - Althistoriker - Schulmänner


Wissenschaftliche Vereine

Im fortgeschrittenen 19. Jh. erlebt das Vereinswesen im deutschsprachigen Raum seine große Blüte. Im Zuge dieser allgemeinen kulturhistorischen Entwicklung gründeten Altertumswissenschaftler Fachgesellschaften und Vereine, die sich zu wiederkehrenden Versammlungen trafen, wie die jährliche "Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner". Anlässlich dieser jährlichen Versammlungen wurden Gedenkmedaillen geprägt, die herausragende Fachvertreter ehrten. In diesem Zusammenhang entstanden die Medaillen auf Karl Otfried Müller (Kat. 24, Kat. 25) und Friedrich August Wolf (Kat. 26, Kat. 27).

Für zwei der Medaillen dieser Ausstellung, die im Rahmen der jährlichen Versammlungen deutscher Philologen und Schulmänner hergestellt wurden sind im alten Tübinger Inventar Erwerbungsdaten zum Zeitpunkt der Jahresversammlungen verzeichnet. Allem Anschein nach kaufte der Philologe Ernst Christian Walz (1802-1857), der seit 1834 ordentlicher Professor in Tübingen war und in dieser Phase das Münz- und Antikencabinet leitete, die beiden Exemplare (Kat. 25, Kat. 27) bei den Versammlungen. Walz nahm nachweislich an dem dritten, vierten und fünften Treffen deutscher Philologen und Schulmänner aktiv teil.


Kat. 23. Friedrich Kenner, Inv. VI 511/12a.

 

Friedrich Kenner (1834-1922) trat noch während seines Studiums in das k. k. Münz- und Antikenkabinett ein, wo er zunächst unter Joseph von Arneth (Kat. 16) als Praktikant arbeitete. 1862 stieg er zum Kustos, 1883-1899 als Nachfolger von Eduard von Sacken (1825-1883) zum Direktor des k. k. Münz- und Antikenkabinetts auf. Er war Gründungsmitglied der 1870 neu gegründeten Numismatischen Gesellschaft in Wien, in der er im Vorstand wirkte. Nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Nach verschiedenen staatlichen Ehrungen noch zu Dienstzeiten, wie der Ernennung zum Regierungsrat und später Hofrat, wurde er 1909 in den erblichen Adelsstand erhoben. Seine Forschungsschwerpunkte lagen in der Numismatik im Bereich der Sammlungserschließung und -betreuung sowie als Mitglied der "k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale" in der provinzialrömischen Archäologie.

Die Gussplakette entstand anlässlich von Kenners 30-jähriger Mitgliedschaft im Vorstand der Numismatischen Gesellschaft zu Wien als Dank für seinen Einsatz für die Gesellschaft und die Numismatik. Als Auftraggeber tritt die Numismatische Gesellschaft in Wien in Erscheinung. Neben dem Format 103 x 180 mm wurde auch eine verkleinerte Version der Plakette mit den Maßen 63 x 35 mm herausgegeben. Zu erwerben war die Plakette für 20 Kronen.

 

Kat. 24. Karl Otfried Müller, Inv. VI 512/18.

 

Kat. 25. Karl Otfried Müller, Inv. VI 512/19.

 

Karl Otfried Müller (1797-1840) war ein berühmter Altphilologe und Altertumsforscher. Nach einer Anstellung als Gymnasiallehrer in Breslau lehrte er 1819-1839 als Professor für Klassische Philologie und Kunstarchäologie in Göttingen. In seiner Funktion als Kustos erweiterte er die Göttinger Abgusssammlung entscheidend und legte eine universitäre Originalsammlung an. In seinen Arbeiten beschäftigte sich Müller intensiv mit der Erforschung der Mythologie und der historischen Landeskunde. Sein grundlegendes "Handbuch der Archäologie der Kunst" wurde in drei Auflagen und in mehreren Sprachen veröffentlicht. Müller beeinflusste mit seinem fachlichen Wirken nicht nur den Standort Göttingen, sondern auch weit darüber hinaus die wissenschaftliche Landschaft Deutschlands und Europas.

Die Medaille entstand nach dem Tod Müllers anlässlich der vierten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner 1841 in Bonn. Auch andere Medaillen für verdiente Männer der Philologie, wie beispielsweise für Barthold Georg Niebuhr (Kat. 14, Kat. 15) und Friedrich August Wolf (Kat. 26, Kat. 27), entstanden im Kontext der jährlich abgehaltenen Versammlungen. In den drei hier genannten Fällen war Ferdinand Helfricht der Medailleur, der die Philologen und Schulmänner durch seine Arbeit überzeugt hatte. Von der Medaille auf Müller wurden mehrere hundert Stück in Bronze und Silber gefertigt; die Exemplare waren auf Bestellung oder per Subskription zu erhalten. Tübingen besitzt gleich zwei Exemplare in der Bronzeausführung.

 

Kat. 26. Friedrich August Wolf, Inv. VI 513/29.

 

Kat. 27. Friedrich August Wolf, Inv. VI 513/30.

 

Friedrich August Wolf (1759-1824) war ein einflussreicher Klassischer Philologe. Nach einer ersten Anstellung als Gymnasiallehrer bekleidete er ab 1783 eine Professur in Halle, zunächst für Philologie und Pädagogik, ab 1784 für Philologie und Eloquenz. 1787 gründete er in Halle das Philologische Seminar, dem er bis 1806 vorstand. Den wirkmächtigen Eindruck seiner Lehre bestätigt auch Goethe, der 1805 mehreren Vorlesungen zuhörte. Seit 1799 als ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, zog er 1807 nach Berlin, wo er an der Errichtung der neuen Universität tatkräftig mitwirkte. Nach einer kurzen Beamtenstation als "Director der wissenschaftlichen Deputation für die Section des öffentlichen Unterrichts" lehrte er als ordentlicher Professor an der Berliner Universität. Neben zahlreichen Editionen klassischer antiker Autoren und pädagogischen Schiften gilt die Arbeit "Prolegomena ad Homerum" als sein Hauptwerk, mit dem er die noch heute gültige These postulierte, dass Homers Epen zunächst mündlich tradiert und erst später schriftlich fixiert wurden.

Die Medaille wurde für die dritte Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner 1840 in Gotha hergestellt. Sie ist die älteste von mehreren Medaillen, die im Kontext der jährlichen Fach-Versammlungen geprägt und vom Medailleur Ferdinand Helfricht entworfen wurden. Die Becker'sche Buchhandlung in Gotha übernahm 46 Stück zum Verkauf, wovon zwei Exemplare in Silber hergestellt wurden; weitere Exemplare wurden von dem Medailleur selbst verkauft. Tübingen besitzt gleich zwei Exemplare der Medaille. Die lateinische Passage "Zur Erinnerung an Friedrich August Wolf, dem einzigartigen Bewahrer der antiken Sprache, feiert fromm die Versammlung der Philologen" auf der Rückseite führt die intendierte Funktion der Medaille eindrücklich vor Augen.