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Auswertung und Zusammenfassung


Gelehrtenbilder im Kontext

Die 35 Medaillen in dieser Ausstellung gelangten zwischen 1841 und 1907 in die Tübinger Sammlung, wobei mit 30 Stück die überwiegende Mehrzahl erst ab 1888 nach Tübingen kam. Elf Medaillen gelangten mit der Stiftung des Obermedizinalrats Dr. Karl von Schäffer (1808-1888), dem ehemaligen Direktor der sog. "Irrenanstalt Zwiefalten" in die Tübinger Sammlung. Karl von Schäffer hatte seine rund 3.000 Stück umfassende qualitativ hochwertige Münz- und Medaillensammlung, die er meist aus dem europäischen Münzhandel erworbenen hatte, 1888 völlig unerwartet seiner Alma Mater vermacht. Damit verfügte die Sammlung plötzlich über einen repräsentativen Querschnitt an numismatischen Objekten - besonders an Medaillen -, der zum weiteren Ausbau anregte.

 

Bildnis von Ludwig Schwabe. Archiv des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen.

 

Ludwig Schwabe (1835-1908), von 1872-1908 ordentlicher Professor der Klassischen Philologie und Archäologie sowie Vorstand des Archäologischen Instituts und damit für die Münzsammlung zuständig, erkannte das Potential des Legats für Forschung, Lehre und museale Präsentation und investierte in den Folgejahren massiv in den Ausbau der Tübinger Münzsammlung. In diese Periode fällt auch der Erwerb der weiteren Medaillen und Plaketten.

Neben der Berücksichtigung der Provenienz von einzelnen Stücken ist auch die Auswertung der wichtigsten Kunstauktionen - freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit - ein wichtiger Indikator für die zeitgenössische (und postume) Rezeption der geehrten Altertumswissenschaftler. Überproportional mehr Nachweise in Kunstauktionen des späten 19. und frühen 20. Jhs. sind für solche Gelehrte nachgewiesen, die noch zu Lebzeiten aufgrund ihrer wissenschaftlichen Meriten oder ihrer politischen Funktionen eine prominente Stellung genossen. Dazu zählen beispielsweise Friedrich Kenner (Kat. 23), Wilhelm von Hartel (Kat. 30), Karl Morgenstern (Kat. 31), Georg Friedrich Creuzer (Kat. 32) und Friedrich Wilhelm Thiersch (Kat. 35). Interessanterweise spiegelt sich dieser Befund in den Ergebnissen der großen Auktionen der knapp letzten eineinhalb Jahrzehnte.

Zum Abschluss dieser Betrachtungen soll noch einmal daran erinnert werden, dass die Medaillen nicht nur materielle Objekte waren, sondern in ihrer ursprünglich intendierten Funktion mit performativen Akten und Akteuren engstens verwoben waren. Die Beschreibung der feierlichen Überreichung der Medaille für Heinrich von Brunn (Kat. 19) führt uns diesen zentralen Moment im Lebenslauf einer Medaille bildlich vor Augen:

 

"Die Feier des 50jährigen Doktorjubiläums des Hrn. Geheimraths v. Brunn verlief heute in würdiger Weise. Se. k. Hoh. der Prinz-Regent ehrte den Jubilar durch Uebersendung eines prachtvollen Blumenstraußes. Am frühen Morgen sandte das Festcomité der treuen Lebensgefährtin des Gefeierten eine prächtige Blumenspende, worauf um ¾ 11Uhr der Empfang der Deputationen erfolgte. Die Reihe begann mit dem Festcomité unter Führung von Prof. Flasch (Erlangen), der in begeisterten Worten die Bedeutung des Jubilars als Lehrer hervorhob und im Namen der Schüler, Collegen und Freunde Brunns den Abguß der Büste überreichte, die von der Meisterhand Rümanns gefertigt, im Bibliothekssaal des archäologischen Reichsinstituts bereits Aufstellung gefunden hat. Ferner wurde dem Jubilar eine goldene Festmedaille, gefertigt von Medailleur Börsch, vom Festcomité gewidmet. Prof. Körte (Rostock) überreichte eine Festschrift im Namen von einigen Schülern Brunns (Prof. Furtwängler - Berlin, Prof. Milchhöfer - Münster, Prof. Körte - Rostock). Hierauf erschien Excellenz Graf Eulenburg, k. preußischer Gesandter, und überreichte im Auftrage des Kaisers die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Tief gerührt dankte der Jubilar für diesen Beweis allerhöchster Gnade und Anerkennung…".

Beilage zur Allgemeinen Zeitung 68, 21. März 1893, 6–7.

 

Zugleich sind Medaillen in höchstem Maße medial aufgeladen, wie die Nachrichtengehalte der Umschriften und Legenden beweisen, die Bedeutung zwischen Akteuren verhandeln bzw. diesen zuschreiben. Die von den Zeitgenossen intendierte Funktion der Legende auf der Medaille für Karl August Böttiger (Kat. 11) ist dafür ein eindrückliches Beispiel: "…AΓAΘHI TYXHI, das classische: Glück auf! Im Abschnitte, spricht den Wunsch aus, den alle Freunde dem lebensfrohen und nie für das Allgemeine müden Greise noch lange zuzurufen gedenken".

Der Wunsch AΓAΘHI TYXHI soll auch der vorliegenden online-Ausstellung gewidmet sein.